40/I/2021 Mehr Mitbestimmung und Transparenz in der stationären Psychiatrie

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Status:
Überweisung

Die SPD Brandenburg setzt sich für eine gesteigerte Transparenz und die Stärkung der Patientenrechte in der stationär psychiatrischen Versorgung ein. Im Land Brandenburg soll, auf Hinwirken der Jusos, die Mitbestimmung der Patient*innen gefördert und die Qualität der Versorgungsstruktur damit nachhaltig verbessert werden.

Zur Umsetzung dieser Zielformulierung fordern die Jusos, die Aufnahme folgender Punkte in das bestehende Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG):

  1. Die Landesregierung verpflichtet sich, in geeigneter Form, zur Veröffentlichung der Zahlen zur Häufigkeit, Dauer und den vorliegenden Rechtsgründen für Zwangsunterbringungen, Zwangsmedikation und Fixierungen in den jeweiligen Einrichtungen. Damit ermöglicht sie, dass Patient*innen und Angehörige einen Überblick über die Versorgungsqualität im Land Brandenburg gewinnen und erhöht weiter den Druck, Zwangsmaßnahmen zu reduzieren.
  2. Die Besuchskommission wird ihre Stichproben künftig nur noch unangekündigt und im regelmäßigen Turnus (mindestens 1 Besuch je Kalenderhalbjahr) in den jeweiligen Einrichtungen vornehmen. Zu jedem Besuch gibt es künftig einen Bericht, der öffentlich zugänglich ist. Dieser wird mit einer Frist von 2 Monaten nach erfolgtem Besuch veröffentlicht.
  3.   Es wird ein*e Patientenvertreter*in als festes Mitglied in die Besuchskommission berufen.
  4.   Die Mängel, die durch die Besuchskommission festgestellt werden, müssen künftig in gleicher Frist und in geeigneter Form durch die jeweiligen Aufsichtsbehörden erneut geprüft und ggf. durch das Auferlegen von Sanktionen abgestellt werden.
  5. Die Einrichtung und Förderung einer eigenen Beschwerdestelle für Psychiatrie, nach Berliner Vorbild.
Begründung:

Der Mensch steht im Mittelpunkt unseres politischen Handelns. So oder so ähnlich liest es sich häufig in den Wahlprogrammen der SPD.

Sigmar Gabriel konkretisierte diesen Auftrag für die SPD noch einmal mit den Worten „….Wir müssen dahin gehen wo es stinkt…“.

Man mag über diese Formulierungen und Sigmar Gabriel denken, was man möchte, so zeigen sie aber doch deutlich auf, dass der Anspruch an unser politisches Handeln im Vertreten der Rechte und Bedürfnisse von Menschen ist, insbesondere von denen die sie nicht selbst für sich artikulieren können.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir einer solchen Gruppe von Menschen gestärkte Rechte und mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Menschen, die unter schweren, z.T. komplexen psychiatrischen Störungsbildern leiden, haben oft keine Kraft und Möglichkeit, für ihre Rechte einzustehen. Es ist die moralische Verpflichtung der Landesregierung, auch für diese Menschen Bedingungen vorzuhalten, die ihrer Genesung zuträglich sind und sie in ihrer Würde nicht verletzen.

Diese Störungsbilder haben oft eine traurige Vorgeschichte, sind mit schwierigen individuellen Biografien verbunden und drängen Menschen an den Rand unserer Gesellschaft.

Wachsende Fallzahlen in diesem Sektor lassen aber tragische Einzelfälle zu Regelfällen werden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewinnorientierung im Gesundheitssektor besteht ein dringender Handlungsbedarf, der absichert, dass Patient*innen nebst der Wirtschaftlichkeit auch eine würdevolle und fürsorgliche Behandlung erfahren.

Wer Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie über sich ergehen lassen muss, ist kein Verbrecher, hat in der Regel niemandem außer sich selbst geschadet und verdient einen respektvollen, leidensgerechten Umgang. Das Land Brandenburg regelt die Anordnung von Zwangsmaßnahmen, in den Fällen in denen Eigen- und/ oder Fremdgefährdung vorliegen, über das PsychKG. Hier ist auch die Berufung von Besuchskommissionen verankert.

Diese Besuchskommissionen sollen die Qualität der Versorgung in den Einrichtungen überprüfen und als Kontrollinstanz für die ordnungsgemäße Anwendung und Durchführung von Zwangsmaßnahmen sorgen. Dabei fehlen dieser Kommission die rechtlichen Möglichkeiten und in der praktischen Umsetzung die Kapazitäten oder Rahmenbedingungen. Mit dem vorgelegten 5-Punkte-Plan wollen wir der Kommission mehr Möglichkeiten der Einflussnahme geben. Wichtig ist uns, auch den*die Patient*in selbst eine stärkere Stimme zukommen zu lassen und sie als festen Bestandteil in die Kommission zu integrieren.

Das MASGF fasst die Ergebnisse der Besuchskommissionstätigkeit der letzten 2 Jahre in einem Bericht zusammen. Dieser Bericht ist eine Sammlung von Allgemeinplätzen ohne tatsächliche Transparenz in welchen Einrichtungen wann Besuche stattgefunden haben, welche Mängel wo vorgefunden wurden und was konkret zur Beseitigung dieser getan wird.

Um Vertrauen in die stationäre Psychiatrie zu fördern ist es von großer Wichtigkeit, dass gerade die Zahlen zu Zwangsmaßnahmen offengelegt werden. Außerdem muss der*die Patient*in sich über die Qualitätssicherung der Behandlungen und somit auch über die konkreten Ergebnisse der Besuchskommissionstätigkeiten informieren können.

Dass Menschen, denen Unrecht innerhalb ihrer Behandlung widerfährt, im Land Brandenburg, keine adäquate und niederschwellige Anlaufstelle geboten wird, sehen wir als Ding der Unmöglichkeit an und fordern hier eine schnelle Abhilfe.

Wer in eine Onlinesuchmaschine „Beschwerdestelle Psychiatrie Brandenburg“ eintippt, sollte künftig einen Kontakt vorfinden, wo z.Zt. nichts zu finden ist.

An einer psychischen Erkrankung zu leiden geht in unserer Gesellschaft oft einher mit dem Tragen eines Stigmas und dem daraus folgenden sozialen Rückzug, bis hin zur Isolation.

Viele Betroffene trauen sich nicht, ihre Erkrankung öffentlich zu thematisieren. Wer also in seiner Behandlung auf Missstände stößt, wird diese sicher nicht öffentlich mitteilen. Anders als andere Patient*innen, können sich Menschen in Zwangsmaßnahmen ihre*n Behandler*in, den Behandlungsort oder die Methode nicht frei wählen. Sie können die Behandlung auch nicht abbrechen. Diese Rechte werden ihnen durch die Anordnung genommen. Es ist daher unsere Pflicht, Missständen vorzubeugen sowie einen Rahmen zu schaffen in dem diese Sachverhalte gemeldet und vertrauensvoll geklärt bzw. behoben werden können.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Landtagsfraktion (Konsens)
Version der Antragskommission:

Durch Nummer 1, Satz 2 würde Druck auf die Justiz ausgeübt werden, über Zwangsmaßnahmen entscheiden Richter*innen.

Barrierefreies PDF:
Änderungsanträge
Status Kürzel Aktion Zeile AntragstellerInnen Text PDF
Überweisung Ä01 zum 40/I/2021 Streichen 17-22 Jusos Brandenburg Antragsbuch Seite 66, Zeilen 17 bis 22: Streiche im Punkt 1 den 2. Satz:
  1. Die Landesregierung verpflichtet sich, in geeigneter Form, zur Veröffentlichung der Zahlen zur Häufigkeit, Dauer und den vorliegenden Rechtsgründen für Zwangsunterbringungen, Zwangsmedikation und Fixierungen in den jeweiligen Einrichtungen. Damit ermöglicht sie, dass Patient*innen und Angehörige einen Überblick über die Versorgungsqualität im Land Brandenburg gewinnen und erhöht weiter den Druck, Zwangsmaßnahmen zu reduzieren.
Änderungsantrag (PDF)
Stellungnahme(n):
Votum der Landtagsfraktion: in Bearbeitung Das Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes, Gesetzentwurf (Landesregierung) vom 17.08.2022 (DS 7/6093) befindet sich aktuell im parlamentarischen Verfahren Die Fachaufsicht über den Maßregelvollzug und die öffentlich-rechtliche Unterbringung im Land Brandenburg liegt gemäß dem Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz (BbgPsychKG) bislang beim Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV). Aufgrund zwischenzeitlich gewonnener Erkenntnisse im Rahmen der Kooperationen der Träger der Hilfen, Institutionen und Gremien, Aufsichtsbehörden und Unterbringungseinrichtungen soll die Zuständigkeit nunmehr auf das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) übertragen werden. Für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von besonderer Bedeutung ist die im Koalitionsvertrag der Landesregierung enthaltene Aussage: „Mit einer Psychiatrieberichterstattung auf Landesebene sollen […] Häufigkeit und Begleitumstände von Unterbringungen erfasst werden.“ Begleitumstände von Unterbringungen sind im Rahmen des Aufenthalts der Patienten im Krankenhaus zu betrachten. Daher muss ein Teil dieses Auftrags aus dem Koalitionsvertrag als neue Aufgabe im Rahmen der Aufsicht über die Krankenhäuser ausgestaltet werden. Begleitumstände von Unterbringungen sind aber auch im außerklinischen Bereich zu analysieren. Der öffentliche Gesundheitsdienst mit seinem Sozialpsychiatrischen Dienst oder andere Beteiligte der kommunalen Not-Dienste leiten in der Regel eine Unterbringung ein. Somit ist der andere Teil des Auftrages aus dem Koalitionsvertrag nur mithilfe von noch zu entwickelnden Berichterstattungsinstrumenten zwischen dem öffentlichen Gesundheitsdienst und dem Land bearbeitbar. Die Zuständigkeit für hier anschlussfähige Prozesse liegt in der Abteilung Gesundheit des LAVG. Schließlich ist die Fachaufsicht regelmäßig auch auf einschlägige fachärztliche Expertise angewiesen. Diese fachärztliche Expertise ist aktuell im LASV nicht vorhanden und müsste im Bedarfsfalle über eine externe Beratung sichergestellt werden. Deutlich sinnvoller und auch unter aufgabenkritischen Gesichtspunkten optimal ist die Eingliederung des Aufsichtsdezernates über psychiatrische Krankenhäuser und Maßregelvollzugseinrichtungen in die für Gesundheit zuständige nachgeordnete Behörde (hier LAVG). Der Gewinn für die optimale fachliche Begleitung und zeitgemäße Weiterentwicklung des Aufsichtsgeschäfts liegt auf der Hand.
Überweisungs-PDF:

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