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1. Gesellschaftliche Bedrohungslage für Frauen
Frauen vor Gewalt zu schützen muss oberste Priorität staatlichen Handelns sein und im Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge der Länder und Kommunen erfolgen. Viel zu oft erlebt man, dass Frauen und Mädchen in ihren Sorgen und Nöten nicht ernst genommen werden und das Thema „Häusliche Gewalt“ als Privatangelegenheit abgestempelt wird.
Ein Blick in die Brandenburgische Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zeigt, dass im Jahr 2018 insgesamt 4.466 Straftaten in diesem Spektrum registriert wurden. Den größten Anteil nahmen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit ein. Der größte Zuwachs ist im Bereich der Körperverletzungen zu verzeichnen, wo die Straftaten im Vergleich zu 2017 um 4,1% anstiegen. Besonders schockierend ist der Anstieg der Fallzahlen im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung. Im Vergleich zum Jahr 2017 ist ein Anstieg von 30 Straftaten zu verzeichnen – besonders in den Straftatbeständen der Vergewaltigung, sexuellen Nötigung und Übergriffe mit Todesfolge. Auch die Zahl der Misshandlung von Kindern stieg im Vergleichszeitraum 2017/18 leicht an. Rund 78% der Taten wurde von Männern begangen (vgl. LKA Brandenburg, Lagedarstellung Häusliche Gewalt im Land Brandenburg Jahr 2018). Die Zahlen dürften nur einen Bruchteil der Gewalttaten an Frauen abbilden, da die Dunkelziffer wesentlich höher sein dürfte.
2. Situation der Frauenhäuser im Land und deren Finanzierung
Im gesamten Land gibt es 21 Schutzeinrichungen, in denen 2018 540 Frauen und 690 Kinder Schutz in akuten Bedrohungslagen fanden. Frauenschutzeinrichtungen verstehen sich als ein Ort des Schutzes und der Krisenintervention. Gerade in strukturärmeren Gebieten Brandenburgs nehmen Frauenhäuser neben Schutzaufgaben die Rolle von Kompetenzzentren für Gewaltschutz ein.
Die Auslastung der Frauenhäuser nach der Anzahl der belegten Betten zu benennen, ist kein geeignetes Kriterium. Da es nicht sinnvoll ist, mehrere Frauen – mit unterschiedlich vielen Kindern – in einem Zimmer unterzubringen, können im Zweifel alle Zimmer belegt sein, obwohl noch Betten frei sind. In solchen Fällen wird zwar versucht, Frauen in andere Häuser zu vermitteln, doch oft ist es den Frauen aus persönlichen Gründen nicht möglich, die Stadt oder den Landkreis zu wechseln. Frauen, die sich an die Schutzeinrichtungen wenden, kommen i.d.R. spontan und können nicht warten, bis wieder ein Zimmer frei ist. Nach Empfehlungen der Istanbul-Konvention (Deutsches Institut für Menschenrechte) sollte pro 10.000 Einwohner*innen ein Frauenhausplatz für eine Frau mit Kindern bereitstehen. In Brandenburg kommt – mit Jahresende 2015 – jedoch nur ein Frauenhauszimmer auf über 19.000 Einwohner*innen. Derzeit finanzieren sich Brandenburgische Frauenhäuser aus Landesmitteln, kommunalen Zuwendungen sowie aus differierenden Tagessätzen der von (häuslicher) Gewalt betroffenen Frauen. Das Land unterstützt nicht die Frauenschutzeinrichtigungen oder Träger*innen, sondern finanziert die Landkreise bzw. kreisfreien Städte mit einer Zuweisung für Frauenschutzangebote. Die für die Unterstützung der Hilfeangebote für Frauenschutzprogramme vorgesehenen Landesmittel gehen den Landkreisen bzw. kreisfreien Städten direkt zu. Die Zuwendung des Landes beträgt derzeit 62.500 Euro pro Landkreis bzw. kreisfreier Stadt (Stand: 2018). Eine kommunale Kofinanzierung ist Voraussetzung für diese Zuwendungen. Die Mittel werden durch die Landkreise und kreisfreien Städte an die Träger*innen der Frauenhäuser in Brandenburg weitergeleitet. Letztempfänger*innen sind dabei gemeinnützige oder rechtsfähige Vereine oder eine gGmbH. Die Kommunen prüfen die Verwendung der Landesmittel, die für Personal- und Sachkosten der Hilfsangebote zu verwenden sind. Das Land fördert nicht die einzelnen Personalkosten der Mitarbeiterinnen. Die Träger*innen der Einrichtungen
rechnen gegenüber den Kreisen ab. Die Zuwendung durch die Kommunen ist keinen einheitlichen Vorgaben unterlegen, sie zahlen unterschiedlich hohe Beträge auf freiwilliger Basis. Zusätzlich entrichten Bewohnerinnen sog. Nutzungsentgelte, die zwar in die Grundfinanzierung der Frauenhäuser einfließen, jedoch keine zuverlässigen Einnahmequellen sind. Die Existenz vieler Frauenschutzeinrichtungen hängt von Spenden oder anderen Vergünstigungen ab, z.B. Mieterlass durch die Kommune. Die Finanzierung muss in jedem kommunalen Haushaltsjahr neu verhandelt werden, was die Arbeit der Mitarbeiterinnen in ein enges zeitliches Korsett zwingt.
3. Die Probleme im Zusammenhang mit der Finanzierung
Frauen, die Opfer von (häuslicher) Gewalt werden, können sich oft nicht mehr ausgiebig über Hilfsangebote und Maßnahmen zum Schutz informieren. Eine offensive Informationskampagne und eine präzise Öffentlichkeitsarbeit sind unerlässlich. Da viele Frauenhäuser finanziell an einzelfallbezogenen Tagessätzen sowie freiwilligen Zuweisungen der Landkreise bzw. Kommunen hängen, ist Planungssicherheit oft nicht gegeben. Diese ist jedoch für eine kontinuierliche Gewaltschutzarbeit (präventive Angebote, Beratungen, ambulante Fachberatungen, Kinderbetreuung, Vernetzungsarbeit, Unterstützung bei Strafverfahren / Prozessbegleitungen, Akquise/Antragswesen oder Bereitschaftsdienste) unabdingbar. Die finanzielle Sicherheit von Frauenhäusern darf nicht von der Zahlungsbereitschaft oder -fähigkeit der Kommunen abhängen. Dieses Finanzierungskonzept schafft keinerlei langfristige Planungssicherheit und beschäftigt die Mitarbeiterinnen zusätzlich mit der Akquise weiterer Fördermittel. Die Entrichtung sog. Nutzungsentgelte ist problematisch, da sie Frauen abschreckt, trotz problematischer Krisensituation, Hilfe aufzusuchen, da sie Angst vor etwaigen finanziellen Folgebelastungen haben.
Die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser hat für die Finanzierung von Frauenhäusern ein Drei-Säulen-Modell aufgestellt. Die Kosten eines Frauenhauses bestehen aus einem Grundbetrag für einzelfallunabhängige Aufgaben, einer Platzkostenpauschale sowie den Gebäudekosten. Dieses Modell richtet sich nach der Anzahl der benötigten Stellen, nach der Aufnahmekapazität des Frauenhauses sowie der tatsächlichen Höhe der Gebäudekosten und ist unabhängig von der Bettenauslastung. Im Flächenland Brandenburg, in dem Frauenhäuser ein weitaus differenziertes Aufgabenspektrum abbilden müssen, ist eine reine Tagesfinanzierung nicht geeignet, die tatsächlichen Bedarfe abzudecken.
4. Was wir fordern
- Abschaffung der Kofinanzierung
- Sicherstellung der flächendeckenden Betreibung von Schutzeinrichtungen
- festes Finanzierungsprogramm – direkte Finanzierung aus Landesmitteln
- alternativ: Landesförderung für die Kommunen mit klarer Zweckbindung à klare Aufgaben für die Finanzierung der Einrichtungen, die eine kontinuierliche Arbeit und sichere Finanzierung sowie eine Quote (entsprechend der Istanbul-Konvention) sicherstellen
- Förderung der Beratungs- und Informationsangebote
- vollständige Abschaffung der Nutzerinnenentgelte
- Barrierefreiheit für alle Frauenhäuser
- Übersetzungsangebote in Frauenhäusern
- Stellen für Kinderbetreuung