Neuer Antragstext und Titel:
Demokratiebildung an Schulen stärken
Der Landesparteitag möge beschließen,
dass die SPD-Mitglieder in der Landesregierung und der Landtagsfraktion dazu aufgefordert werden, sich dafür einzusetzen, dass
- demokratische (politische) Wertevermittlung (Demokratiebildung) zum verpflichtenden Bestandteil der Lehramtsausbildung gemacht wird. Neben den bestehenden Fortbildungsangeboten wäre die Konzeption eines entsprechenden Moduls im Bachelor of Education denkbar.
- es ein Schwerpunkt der Schulvisitation, der Schulämter und des Landesinstituts wird, systematisch, nachhaltig und proaktiv gegen Extremismus und für Demokratiebildung an Schulen vorzugehen,
- Programme zur Förderung der demokratischen Schulkultur finanziell deutlich besser ausgestattet werden, insbesondere zu SV-Coaching, von Schüler*innenmitwirkungsinstrumenten wie Klassenrat und Schüler*innenhaushalten, Stärkung der Elternvertretungen, Schulbudgets für Maßnahmen der politischen Bildung, etc.
- eine Schulgesetzänderung zur Stärkung der Selbstwirksamkeit von Schüler*innen erfolgt: Obligatorische Klassenräte in jeder Jahrgangsstufe mindestens einmal pro Monat
Im April sorgten zwei Lehrer*innen der Grund- und Oberschule „Mina Witkojc“ Burg mit einem Brandbrief für Schlagzeilen. Hierin prangerten sie massive rechtsextreme Vorfälle an. Nach Anfeindungen aus der Bevölkerung zogen die Pädagog*innen schließlich die Reißleine und haben einen Antrag auf Versetzung gestellt. Ein Punktsieg für die extreme Rechte in Südbrandenburg!
Im Rahmenlehrplan (Teil B) werden Sprach- und Medienbildung als fächerübergreifende Kompetenzen genannt. „Demokratiebildung“ findet sich in einer Aufzählung mit weiteren Themen, die von Berufs- und Studienorientierung bis zu Verbraucherbildung reicht. Gleichwohl wird festgestellt, dass sie Aufgabe aller Fächer ist. Lehramtsanwärter*innen, die nicht das Fach „Politische Bildung“ (oder ein Vergleichbares) studieren, kommen in ihrer Studienlaufbahn in Brandenburg lediglich mit der fächerübergreifenden Kompetenz der Sprachbildung in Berührung. Die von Lehrer*innen im Lehrplan verlangte Demokratiebildung ist kein expliziter Bestandteil der akademischen Ausbildung.
Dieser Antrag unterstützt angehende Lehrer*innen dabei, demokratisches Handeln in pädagogischen Lernsettings zu vermitteln und Schüler*innen auf ihre Rollen als mündige Bürger*innen in einer Demokratie vorzubereiten. Das Schulfach „Politische Bildung“ darf nicht als Ausrede für ausbleibende demokratische Wertevermittlung in anderen Fächern genutzt werden. Ferner sollen Lehrkräfte angeregt werden, demokratiefeindlichen Schul- und Unterrichtskulturen rechtzeitig entgegenzutreten.
Die Demokratiebildung an Schulen bedarf finanzieller, personeller und struktureller Stärkung:
Finanziell: Dem für Demokratiebildung an Schule zuständigen Referat im MBJS stehen dafür 600.000 € p.a. zur Verfügung. Zum Vergleich: Allein der Fachgruppenleiter für politische Bildung in der Senatsbildungsverwaltung in Berlin hat 5,5 Millionen € zu verwalten! Hinzu kommt in Berlin ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, das in einer anderen Senatsverwaltung angesiedelt ist und weitere Millionen auch für Schulprojekte zur Verfügung stellt. Ganz abgesehen vom Jugendbereich (Jugenddemokratiefonds mit 1,2 Mio. etc.), der in Berlin ebenfalls besser ausgestattet ist.
Personell: Demokratiebildung als übergreifendes Thema hat es in der Schulpraxis schwer, wenn es nicht auch im Fachunterricht verankert ist. Bisher konnte Brandenburg davon profitieren, dass viele fachaufsichtlichen Belange in den Fächern Geschichte und Politische Bildung durch die Berliner Fachaufsicht über das gemeinsame LISUM miterledigt wurden. Durch die Kündigung Berlins fällt diese heimliche Ressource aber ab dem 31.12 2024 weg! Es gibt in Brandenburg auf ministerieller Seite derzeit überhaupt nicht das fachaufsichtliche Know-how, um gegen die extremistischen Tendenzen sinnvolle Steuerungsmaßnahmen einzuleiten.
Strukturell: Es nützt wenig, wenn die Schulaufsicht sich um eine Schule erst dann kümmert, wenn die Flammen aus dem Dach schlagen und auffällig gewordene Schüler von einer Schule verweisen und in eine andere gesteckt werden. Zero tolerance gegen Extremismus ist gut und richtig, aber um diesen Kampf zu gewinnen, müssen wir vor allem die Prävention stärken. Wir haben eine teure Schulvisitation, Schulämter und ein BUSS, die weder über die Instrumente, noch das geeignete (!) Personal noch die strategische Ausrichtung verfügen, um systematisch, nachhaltig und proaktiv gegen Extremismus und für Demokratiebildung an Schulen vorzugehen. Es muss ein Schwerpunkt aller drei (besser vernetzter!) Systeme sein, Schulen hinsichtlich ihrer demokratischen Schulkultur zu untersuchen und zu begleiten. Dazu wiederum muss es aber auch viel mehr Instrumente geben, mit denen demokratische Schulkultur verbessert werden kann.
Solche Instrumente könnten sein:
Änderung des Schulgesetzes: Verpflichtende Abhaltung des Klassenrats einmal pro Woche in jeder Lerngruppe (1-10) bzw. Jahrgangstufe (11-13). Flankierung durch Fortbildungsmaßmahmen darin erfahrener Träger (DeGeDe, Beteiligungsfüchse, mehr als Lernen) für Schulleitungen und Lehrkräfte. Überprüfung durch Schulaufsicht und Schulvisitation.
Systematische Einführung von Schülerhaushalten nach Berliner Modell (wurde im Ausschuss ja schon vorgestellt und gibt es an ein paar Pilotschulen): Land finanziert pädagogische Begleitung (beginnend mit 200.000 p.a., dann aufwachsend über den darin erfahrenen Träger „Servicestelle Jugendbeteiligung“), Träger die Mittel für die Haushalte selbst, angefangen mit einzelnen Schulen in einzelnen Kreisen/Städten, dann aufwachsend (in Berlin haben wir 2018 mit 10 Schulen in einem Bezirk angefangen und jährlich ausgeweitet, heute sind es über 150 Schulen in allen 12 Bezirken) – ganz zentrales Instrument, um Selbstwirksamkeit zu erfahren – die Jugendstudie hat diese Woche wieder belegt, dass es genau daran fehlt und den engen Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeitserfahrung und Demokratiebejahung gezeigt.
Einführung von Budgets gebunden an Maßnahmen der politischen Bildung für jede Schule – auch Grundschulen! (In Berlin: 2.700 € pro öffentliche Schule, wird genutzt für Fortbildungen der Lehrkräfte, Workshops für Schüler, Maßnahmen mit Eltern) Hat nicht zuletzt den Sinn, dass Schulen sich tw. überhaupt erst mal mit der Frage beschäftigen, was es für Angebote in diesem Gebiet gibt, wo Bedarfe der Schule liegen, was man noch alles machen könnte
Förderung der SV- und LSR-Arbeit durch den Träger „mehr als lernen“, der in Berlin dazu exzellente Arbeit leistet: SV-Coaching, Unterstützung des LSR in Verfahrensfragen, Aufrechterhaltung der Kontinuität der LSR-Arbeit (ganz wichtig wegen der i.d.R. jährlichen Wechsel), Unterstützung des Informationsflusses gerade bez. Demokratiebildung und Schülerrechte/Schülermitwirkung zwischen LER, MBJS und Schülerschaft
Förderung der LER und KER-Arbeit durch eine Verbindungsstelle in der MBJS
Druck und Verteilung der frischen Handreichung „Demokratiebildung“ an allen Schulen, begleitet von Fortbildungen und Veranstaltungen dazu
Verstärkung bestehender Strukturen des Landes Brandenburg im Feld („Starke Lehrer-starke Schüler“, RAA – ist aber als reines Pilotmodell zu wenig flächenwirksam)
Abschaffung des BUSS: Stattdessen zentral gesteuertes und finanziertes Fortbildungssystem für Lehrkräfte durch echte Expertinnen/Experten, nicht durch im Selbststudium oder LISUM-Infoveranstaltungen mehr oder weniger gut fortgebildete Lehrkräfte ohne genuine Expertise.
Grundlegende Neuaufstellung und Neuausrichtung der Schulvisitation auf Unterrichtsqualität und demokratische Schulkultur in enger Koppelung an die Fortbildung und Schulleiterqualifizierung, ggf. durch bessere finanzielle Ausstattung unterstützt.