54/I/2022 Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung im Land Brandenburg

Status:
Überweisung
  • Abschaffung des DRG-Systems, um es in enger Abstimmung mit der Bundes-SPD und den Sozialpartnern durch ein System aus Vorhaltepauschalen abzulösen,
  • Bezahlung aller Krankenhausangestellten entsprechend des geltenden Tarifs in ihren jeweiligen Branchen oder vergleichbar,
  • Ausgleichsfinanzierung der Betriebskosten durch das Land Brandenburg bei Bedarf,
  • Erhöhung der Investitionspauschalen, um den realen Investitionsbedarf zu decken.

Bezüge:

  1. Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG)
  2. Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG)
  3. Gesetz zur Entwicklung der Krankenhäuser im Land Brandenburg (BbgKHEG)
  4. Verordnung zur Festsetzung der Investitionspauschale nach dem Brandenburgischen Krankenhausentwicklungsgesetz (Krankenhausinvestitionspauschalverordnung – BbgKHEGIPV)
  5. Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Haushaltsplan des Jahres 2022
  6. PRO Klinik Holding GmbH, Wirtschaftsplan des Jahres 2022
  7. Land Brandenburg, Haushaltsplan 2022
  8. Marburger Bund: Zukunft der Krankenversorgung aus ärztlicher Sicht. Positionspapier des Marburger Bundes, vom 17. September 2020
Begründung:

Die Ökonomisierung des Gesundheitssystems, die seit der Vereinigung der ehemals zwei deutschen Staaten zu beobachten ist, hat zur schwerwiegenden Schädigung desselben geführt. Die personelle wie materielle Ausstattung unserer Krankenhäuser ist nurmehr in Teilen am Wohl des/der Patient*in ausgerichtet, sondern sie folgt primär wirtschaftlichen Sachzwängen (6). Die Betriebskosten der Krankenhäuser können oftmals von ihren Trägern nicht aufgebracht werden (5), und die Investitionspauschalen, die das Land Brandenburg den Krankenhäusern zahlt (7), sind in ihrer Summe viel zu wenig und werden oftmals noch von den Krankenhausträgern zweckentfremdet, um die laufenden Kosten zu decken.

Das System aus Fall- und Investitionspauschalen (1, 2, 4) setzt dem Gesundheitssektor die völlig falschen Anreize, da es lediglich auf eine monetäre Gewinnmaximierung hinausläuft; das Angebot folgt dem wirtschaftlichen Nutzen. Gleichzeitig werden Leistungen, die von der Gesellschaft dringend benötigt werden, sich aber nicht im selben Umfange rentieren, nicht länger angeboten oder nur vereinzelt, an wenigen Standorten durchgeführt. Hier ist exemplarisch die Geburtshilfe oder auch die Neurochirurgie zu nennen. Letztere ist für die Versorgung von schwer Kopfverletzten unverzichtbar, die Unfälle lassen sich aber nicht planen; Hirntumore sind glücklicherweise auch nicht häufig, was eine flächendeckende Behandlungsmöglichkeit dieses Krankheitsbildes aber nicht weniger geboten macht. Wegen  des chronischen Mangels an Personal, das aus Gründen der Kostenminimierung nicht in befriedigendem Umfang zur Verfügung steht und noch dazu teilweise nicht einmal nach Tarif bezahlt wird, fallen Leistungen unter Umständen in Gänze aus (wie im Juli dieses Jahres im Klinikum Luckenwalde mit dem Kreißsaal geschehen), oder die bedürftigen Menschen müssen nicht unerhebliche Anfahrwege und Wartezeiten in Kauf nehmen. Dies wirkt sich negativ auf die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes aus und senkt ihr Vertrauen in den Staat.

Im Gegensatz dazu würde ein System aus Vorhaltepauschalen den Staat dazu ermächtigen, das Fähigkeitsprofil der Krankenhäuser in Qualität und Quantität an einem Soll auszurichten, dem die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen zugrunde lägen und welches die vom Land erdachten Entwicklungspläne für die jeweiligen Regionen mit einbezöge (8).

Darüber hinaus ist der Umstand, dass Krankenhäuser, die sich in öffentlicher Hand befinden, nicht nach geltendem Tarif bezahlen, nicht hinnehmbar. In Art. 2 Nr. 21 lit. c GVWG wird eindeutig festgelegt, dass Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen geschlossen werden dürfen, die ihr Pflege- und Betreuungspersonal nach Tarif oder mindestens in derselben Höhe bezahlen. Dass dem Staat nicht gelingt, was er von privaten Anbietern vorbehaltlos einfordert, ist nicht hinzunehmen; dass eine Gewerkschaft ein öffentliches Krankenhaus bestreiken muss, um Bundesrecht durchzusetzen, wie in Ostprignitz-Ruppin geschehen, ist ein Armutszeugnis. Allerdings trifft den Landkreis hieran nicht die Schuld: Wie aus seinem Haushaltsplan hervorgeht (5), verfügt er tatsächlich nicht über die erforderlichen Mittel.

Zieht man hingegen den Haushaltsplan des Landes Brandenburg (7) zu Rate, so sieht man, dass der Investitionsbedarf der Krankenhäuser winzig anmutet im Vergleich zu der Größe mancher Teilhaushalte des Landes. Insofern befinden wir, dass es sich hierbei um ein Allokationsproblem handelt: Das Land setzt hier die falschen Schwerpunkte, was zur Unterfinanzierung seiner Krankenhäuser führt. Dies ist fatal, ist die Gesundheit doch – mit Bildung und Sicherheit – die Grundlage dafür, dass Menschen sich in unserem Land niederlassen und ein erfülltes Leben genießen dürfen.

Deshalb fordern wir, der OV Temnitz, den Landesparteitag dazu auf, unserem Antrag stattzugeben.

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Landesgruppe in der Bundestagsfraktion (Konsens)
Version der Antragskommission:

und Landtagsfraktion

Barrierefreies PDF:
Stellungnahme(n):
Votum der Landtagsfraktion: in Bearbeitung Die Idee des Antrages bzgl. der Bezahlung der Krankenhausangestellten entsprechend des gültigen Tarifs gilt es zu begrüßen. Beispielgebend können hier die Lohnzuwächse durch den Abschluss des kommunalen Klinikums Ernst-von-Bergmann in Potsdam sein. Das Beispiel zeigt aber auch, dass es gleichzeitig dabei nicht zu finanziellen Schwierigkeiten der Häuser kommen darf. Die anderen Punkte des Antrages befinden sich bereits im Prozess, wie das Beispiel des DRG-Systems zeigt, welches im Rahmen der aktuellen Bund-Länder-Abstimmungen zur Krankenhausreform des Bundes auf dem Prüfstand steht. Zu-künftig sollen laut der aktuellen Diskussion neben der fallabhängigen Vergütung nach DRG-Fallpauschalen (60 Prozent) für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste Beträge (40 Prozent) fließen. So sollen die mit dem DRG-System verbundenen Fehlanreize minimiert und die Krankenhausversorgung wieder als Teil der Daseinsvorsorge sichergestellt werden. Die SPD-Landtagsfraktion hat sich zu den notwendigen Reformvorhaben mit dem Positionspapier „Gute Gesundheitsversorgung flächendeckend er-halten“ (April 2023) positioniert. Die Krankenhausfinanzierung erfolgt in der Bundesrepublik nach dem Prinzip der „dualen Finanzierung“. Die Betriebskosten der Krankenhäuser, also alle Kosten, die für die Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, werden von den Krankenkassen finanziert. Sie liegen also nicht im Verantwortungsbereich der Länder. Die Investitionskosten hingegen werden durch die Bundesländer finanziert. Im Punkt der Sicherung der Investitionspauschalen erfüllt das Land Brandenburg auch in dieser Legislaturperiode seine Aufgaben. Diese wurden mit dem Doppelhaushalt 2023/24 (110 Mio./Jahr) zum Erhalt der Brandenburger Krankenhausstandorte gesichert. Zusätzlich wurden zur Stärkung der Krankenhauslandschaft vonseiten der Koalition zur Verfügung gestellt: 82 Mio. € im Jahr 2022 aus dem Corona-Rettungsschirm, 95 Mio. € für jeweils 2023 und 2024 aus dem Brandenburg-Paket zur Bewältigung der Auswirkungen im Zusammenhang mit steigendenden Energiekosten, einer hohen Inflation und insgesamt wirtschaftlichen schwierigen Lage infolge der Corona-Pandemie. Das Land Brandenburg erfüllt mit der Erhöhung der Investitionsmittel die allgemein als notwendig angesehene Investitionsquote von 8 Prozent. Das Land Brandenburg hat sich damit in die Spitzengruppe aller Bundesländer bei der Investitionsfinanzierung gestellt. Unabhängig davon muss in der kommenden Legislaturperiode die Höhe der notwendigen Investitionsmittel einer erneuten Überprüfung unterzogen werden. Votum der ASG: Der Antrag des OV-Tremnitz untergliedert sich in 4 inhaltliche Punkte (Spiegelstriche) zur Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung im Land Brandenburg. Zu Spiegelstrich 1: In den bisher veröffentlichten Eckpunkten zur Krankenhausreform findet sich als wesentlicher Bestandteil die Ablösung der bisherigen Finanzierung von stationären Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen (DRG) durch die Einführung eines Systems von neu eingeführten Vorhaltepauschalen plus einem reduzierten Finanzierungsanteil über neu (geringer) bewertete Fallpauschalen.   Über die verbleibende anteilige Finanzierung durch Fallpauschalen soll aus Sicht des Gesetzgebers einerseits ein fallzahlbezogener Leistungs- und Wirtschaftlichkeitsanreiz für die Krankenhäuser gesetzt, andererseits jedoch dem Fehlanreiz, den eine reine Vorhaltefinanzierung haben könnte, entgegengewirkt werden. Aus Sicht der ASG-Brandenburg führt die beabsichtigte Kombination aus Vorhaltefinanzierung und Fallpauschalen nicht zu den mit der Krankenhausreform verbundenen Zielstellungen, Bürokratie abzubauen und den „Hamsterradeffekt“, der u.a. durch die Fallpauschalen in den Kliniken zu den bekannten katastrophalen Auswirkungen geführt hat, entgegenzuwirken. Vielmehr bleibt der Leistungsdruck, den ein fallzahlbezogener Finanzierungsanteil mit sich bringt, insbesondere für die Berufsgruppen, die direkt in die Patientenversorgung eingebunden sind, weiterhin bestehen. Darüber hinaus bleibt auch die mit dem DRG-System verbundene Dokumentations- und Nachweisbürokratie, die wiederum im Wesentlichen durch die patientenversorgenden Berufsgruppen erbracht werden muss, auch bei einer Reduzierung des Gesamtanteils der DRG an den Erlösen weiterhin unverändert bestehen. Somit ist absehbar, dass zukünftig zusätzlich zu der hochkomplexen Abrechnung des DRG-Anteils, bisher nicht bekannte, aber vermutlich nicht weniger komplexe Regelungen zur Vorhaltefinanzierung zu erwarten sind. Eine Reduzierung der Bürokratie ist vor dem Hintergrund dieses mutlos anmutenden Festhaltens an den - wenn auch reduzierten Fallpauschalen -, nicht zu erwarten. Die ASG-Brandenburg unterstützt den Antrag des OV-Tremnitz zur Abschaffung des DRG-Systems und empfiehlt die Annahme in diesem Punkt.   Zu Spiegelstrich 2: Die Forderung des OV-Tremnitz, alle Krankenhausangestellten mindestens nach den in den jeweiligen Branchen geltenden Tarifen zu bezahlen entspricht der allgemein geltenden sozialdemokratischen Grundposition, die vor dem Hintergrund der katastrophalen Auswirkungen des Fachkräftemangels in nahezu allen Einrichtungen des Gesundheitswesens, selbstverständlich auch dort umzusetzen ist. Die ASG-Brandenburg unterstützt diese Forderung des OV-Tremnitz und empfiehlt die Annahme in diesem Punkt.  Zu Spiegelstrich 3: Auf der Grundlage der dualen Krankenhausfinanzierung werden die Betriebskosten der Krankhäuser durch die Krankenkassen finanziert, die Investitionskosten hingegen werden durch die Länder getragen. Auch die bevorstehende Krankenhausreform sieht hier keine grundsätzlichen Veränderungen vor. Das Land Brandenburg hat sowohl im Rahmen des Haushalts als auch über das Brandenburg-Paket erhebliche Mittel zur Finanzierung und Unterstützung der Krankenhäuser eingestellt und sich damit deutlich zu den Brandenburger Krankenhäusern bekannt. Die Forderung des OV-Tremnitz, bei Bedarf eine Ausgleichsfinanzierung der Betriebskosten durch das Land Brandenburg vorzunehmen, widerspricht den gesetzlichen Regelungen zur Krankenhausfinanzierung. Darüber hinaus sind die finanziellen Auswirkungen u.a. auch im Hinblick auf den unklaren Rechtsbegriff des „Bedarfs“ nicht absehbar.   Die ASG-Brandenburg empfiehlt, die Forderung des OV-Tremnitz, bei Bedarf eine Ausgleichsfinanzierung der Betriebskosten durch das Land Brandenburg zu beschließen, abzulehnen.   Zu Spiegelstrich 4: Im Rahmen der dualen Krankenhaus-Finanzierung sind die Investitionskosten durch die Bundesländer zu leisten. Da diese ihren diesbzgl. Verpflichtungen in den vergangenen Jahren bei weitem nicht nachgekommen sind, ist ein massiver Investitionsstau zu verzeichnen, den die Krankenhäuser aus eigener Kraft nicht kompensieren können. Die Forderung des OV-Tremnitz, die Investitionspauschalen zu erhöhen, um den realen Investitionsbedarf zu decken, ist nachvollziehbar. Allerdings wird aus Sicht der ASG-Brandenburg die grundlegende Problematik, nämlich die unzureichende Investitionsfinanzierung insgesamt, nicht durch eine Erhöhung der Investitionspauschalen behoben. Darüber hinaus werden die Investitionspauschalen in Brandenburg gemäß Krankenhausinvestitionspauschalverordnung (BbgKHEGIPV) vom 10. April 2013, zuletzt geändert am 13. Oktober 2021 im Umfang von 80% der insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel zu einem erheblichen Anteil auf der Grundlage von Leistungsparametern (im Wesentlichen aus dem DRG-System) berechnet. Die ASG-Brandenburg empfehlt, die Forderung des OV-Tremnitz nach einer auskömmlichen Investitionsfinanzierung grundsätzlich zu unterstützen. Der Antrag, dies über eine Erhöhung der Investitionspauschalen zu erreichen, ist aus Sicht der ASG-Brandenburg in der vorliegenden Form, u.a. vor dem Hintergrund der derzeit geltenden o.g. Berechnungsgrundlagen und des sich daraus ergebenden Widerspruchs zu der unter Spiegelstrich 1 geforderten Abschaffung des DRG-Systems, jedoch abzulehnen.
Überweisungs-PDF: